

Sandra Stahl, pädagogische Geschäftsleitung der Kindertagesstätten SüdOst
„Eine unvergessliche Reise nach Albinea in Italien“
„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“ (Matthias Claudius)
Als ich die Möglichkeit erhielt, als pädagogische Vertreterin des Eigenbetriebs SüdOst an einer Städtepartnerschaftsreise teilzunehmen, habe ich nicht lange gezögert; denn in diesem Jahr startet die Kooperation zwischen der Kita „Polo d’Infanzia comunale di Albinea“ in Italien und der Kita Dornbrunner Straße in Treptow-Köpenick, Berlin.
Der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Herr Oliver Igel, der BVV-Vorsteher von Treptow-Köpenick, Herr Peter Groos, der fabelhafte Fahrer, Herr Detlef Kirstein, und ich fuhren am 27. März 2025 mit dem Auto nach Italien.
Ich beginne meinen Bericht chronologisch und er endet anders als Sie es sicherlich als Leser*innen erwarten.
Die erste Station unserer Reise war der Besuch der Kita Polo d’Infanzia comunale di Albinea am 28. März 2025 um 15.00 Uhr wo wir herzlich empfangen und begrüßt wurden von Vertreter*innen der Gemeinde, der Bürgermeisterin und natürlich von den Mitarbeiter*innen aus der Kita.

(Federica Franceschini, verantwortlich für die Städtepartnerschaft, Kommunalverwaltung Albinea, Erica Piccinini, Pädagogin, BVV Vorsteher Peter Groos, BzBM Oliver Igel, PGL Sandra Stahl, Elena Faietti, Kunstpädagogin, Beatrice Cornetti, Pädagogin, Silvia Montruccoli, Pädagogin)
Die großzügigen, lichtdurchfluteten Räume, das „sichtbare“ Konzept der Reggio-Pädagogik, haben uns alle sofort beeindruckt, auch die Piazza als zentraler Treffpunkt.
(Fahrer Detlef Kirstein, BM Roberta Ibattici)
Der künstlerische Aspekt hat mich persönlich dabei am meisten fasziniert. Die Ateliers waren sehr gut ausgestattet und alles war sehr ansprechend für die Kinder vorbereitet, so dass der „Raum als dritter Erzieher“ als gelebte Praxis erkennbar war.
Auf einem ausgiebigen Rundgang erfuhren wir viel über den Tagesablauf der Kinder und der pädagogischen Fachkräfte und über die Zusammenarbeit mit den Familien.
Während des Rundgangs auf dem Außengelände, ergab sich Gelegenheit für eine ausführliche Fragerunde zu Gemeinsamkeiten, aber auch zu Unterschieden in der pädagogischen Arbeit, an der alle – auch die Politker*innen – rege beteiligt waren.
(Giulia Scaglioni, Dolmetscherin, Elena Faietti, Roberta Ibattici, Sandra Stahl)
In der Kita werden in zwei Gebäudeteilen Kinder im Alter von 0-6 Jahren betreut. Besonders der Krippenbereich mit 90 Kindern strahlte eine Atmosphäre aus, die man als weitläufig beschreiben könnte. Die Piazza für die jüngeren Kinder wirkt wie im Elementarbereich einladend – die Struktur der Räume, das Material und die Ausstattung bieten Anregung, sind großzügig, hell und liebevoll gestaltet. Der Personalschlüssel liegt allerdings bei 1:10 – das hat uns sehr erstaunt.
Vor der Verabschiedung waren wir zu einem Austausch bei Tee und Kuchen eingeladen – eine gute Gelegenheit, unsere Gastgeschenke zu überreichen. Die Kita Dornbrunner Straße hatte ein kleines Paket gepackt, unter anderem ein „Wimmelbuch von Berlin“. Bei dem Geschenk für die Kinder hatte mich für eine Ausgabe des Buches „Der Regenbogenfisch“ in deutsch-italienischer Sprache entschieden – symbolisch für den Bogen, den wir von Treptow-Köpenick nach Albinea spannen. Für die pädagogischen Fachkräfte hatte ich unseren „druckfrischen“ Kinderrechte-Ordner im Gepäck. Die Form der bei uns praktizierten Beteiligung der Kinder löste Erstaunen bei den Italiener*innen aus – aber auch großes Interesse.
(Sandra Stahl, Silvia Montruccoli)
Ich bin jetzt schon sehr gespannt, was sich im Austausch, in einer hoffentlich langanhaltenden Kitapartnerschaft noch entwickeln wird.
Die Kolleginnen aus Italien bekamen durch meine Informationen erste Eindrücke, wie wir arbeiten. Zeitnah werde ich in der Kita Dornbrunner Straße von meinen Eindrücken der Arbeit in Albinea berichten. Zur Vertiefung ist geplant, dass eine Delegation unserer Mitarbeiter*innen im Mai nach Albinea reist, um dort in der Kita zu hospitieren und im Gegenzug freuen wir uns schon sehr darauf, im Oktober dieses Jahres die Kolleginnen aus Albinea in Berlin begrüßen zu dürfen.
Aber jetzt erst einmal weiter im Reiseprogramm….
Haben Sie schon einmal von Albinea gehört oder gelesen?
Albinea ist eine kleine Gemeinde in Norditalien mit rund 8.800 Einwohner*innen in der Region Emilia-Romagna, ca. 60 km westlich von Bologna.
Seit 1997 ist Albinea die Partnergemeinde von Treptow-Köpenick.
In diesem Jahr gedachte die Gemeinde gemeinsam mit Vertreter*innen aus Berlin Treptow-Köpenick der Befreiung Albineas vor 80 Jahren.
Aber was hat Treptow-Köpenick damit zu tun?
Herr Bezirksbürgermeister Igel hatte mir vor Längerem schon einmal über die Partnerschaft der beiden Städte und ihren Hintergrund erzählt.
Nun war aber klar, dass ich mehr wissen musste.
Wissen Sie eigentlich wer Hans Schmidt ist?
- Die Straße zwischen unserer Geschäftsstelle und der Freifläche Richtung Rudower Chaussee ist nach ihm benannt ;-).
Bis vor kurzem wusste ich es nicht, habe aber in den drei Tagen in Italien bzw. auf dem Weg dorthin viel über ihn und sein Handeln erfahren.
Im Zweiten Weltkrieg war Hans Schmidt, ein aus Johannisthal stammender Feldwebel, 1944 in Albinea stationiert und wechselte auf die Seite der antifaschistischen italienischen Partisanen, die gegen die deutschen Besatzer und gegen die italienischen Faschisten kämpften. Er lehnte sich mit vier weiteren deutschen Soldaten gegen den nationalsozialistischen Wahn auf und gab Informationen an die Partisanen weiter. Ein mutiges Handeln, das ihn und die anderen ihr Leben kostete. Ihre Namen, vor allem der von Hans Schmidt, und die Orte des blutigen Geschehens sind bis heute Alt und Jung in Albinea geläufig.
Aus dieser Historie ist die Städtepartnerschaft zwischen Treptow-Köpenick und Albinea erwachsen, bei der über die Jahre eine besonders enge und intensive Verbundenheit entstanden ist.
Bei der Gedenkfeier am 29. März 2025 zum 80. Jahrestag des Angriffs der Partisanen gegen die deutsche Wehrmacht in Albinea durfte ich zugegen sein. Auf der Homepage der Gemeinde Albinea finden Sie die detaillierten Informationen.
Der eigentliche Grund meiner Mitreise, die erste Kontaktaufnahme zur Kita Polo d’Infanzia comunale di Albinea, bekam zunehmend eine andere Bedeutung für mich.
Eine Partner-Kita in einer anderen Stadt oder in einem anderen Land könnten wir jederzeit finden…
Für mich wurde schon während der Reise und aufgrund der intensiven Begegnungen und Erlebnisse klar, dass es um mehr geht als nur die Partnerschaft und den Austausch mit einer italienischen Kita.
Die beiden Bürgermeister*innen haben während der Feierlichkeiten sehr beeindruckende Reden gehalten, deren Inhalt mich und bestimmt auch viele andere Menschen betroffen gemacht und nachdenklich gestimmt haben.
Herr Bezirksbürgermeister Oliver Igel bezog sich auf die „Schumann-Erklärung“ von 1945: „Der Frieden der Welt kann nur auf Grundlage von Partnerschaft, Zusammenarbeit und Solidarität geschaffen werden“.
Ein Satz, der in dieser Zeit der weltpolitischen Unruhe wichtiger scheint als je zuvor!
Die Bürgermeisterin Roberta Ibattici sprach in ihrer Rede davon, „…, dass die Freiheiten und der Frieden, die wir in den letzten Jahren genossen haben, eine Ausnahme und nicht die Regel sind. Sie sind weder ein natürlicher Zustand, noch ewig und schon gar kein Zufall.“
Ein wichtiges Wort, was ich für mich gelernt habe, ist „Erinnerungskultur“: Frei von Vorwürfen gegen die nachfolgenden Generationen, die Vergangenheit nicht ausblendend, sondern gegen ein Vergessen eine gemeinsame Erinnerung pflegend!
Schülerinnen und Schüler in Albinea beschäftigen sich bereits ab der dritten Klasse mit dem Holocaust; sie setzen sich mit ihrer und unserer gemeinsamen Geschichte auseinander. Es hat mich zu tiefst beeindruckt, wie mehrere Schüler*innen der Mittelschule im Rahmen der Veranstaltung Redebeiträge vorlasen, die von persönlichen Schicksalen von Menschen aus der Region in der Nazizeit handelten und wie die jungen Menschen einen Bezug zu der heutigen Zeit hergestellt haben.
Fragen Sie sich jetzt, was das mit Kita, mit unserer Arbeit zu tun hat?
Wir, die Kindertagesstätten SüdOst, beschäftigen uns seit Jahren mit den Rechten der Kinder. Beteiligungsformen und -prozesse werden zunehmend und intensiver in unseren Kindertagesstätten gelebt.
Kindern ihre Rechte zu vermitteln, sie an alltäglichen Prozessen zu beteiligen, die Meinungsbildung zu fördern, indem wir Alternativen zur Verfügung stellen und erklären, sind ein Teil unseres alltäglichen Bildungsauftrags. Konflikte auszutragen, Verlieren lernen, Kompromisse eingehen, Streiten und Vertragen sind nicht nur Themen der Kindheit, sondern begleiten uns ein ganzes Leben.
Wenn wir in den Kitas partnerschaftlich mit den Familien die Grundsteine legen, dass Kinder später in der Lage sind, bewusste und reflektierte Entscheidungen zu treffen und nicht „mitlaufen“, sondern auch unbequem „Nein“ sagen können, und wenn sie sich trauen, eine andere Meinung zu haben als die Mehrzahl der Gemeinschaft – dann sind wir auf dem richtigen Weg!
Wenn wir den Kindern heute nicht alles abnehmen, sondern Anforderungen stellen, an denen Sie wachsen und sich erproben können, wenn sie Fehler machen dürfen und daraus lernen können – dann sind wir auf dem richtigen Weg!
Wenn Kinder in der Gemeinschaft lernen, Konflikte im geschützten Rahmen auszutragen und selber untereinander Lösungen finden – ohne, dass wir Ihnen sagen, wie es „besser“ geht – dann sind wir auf dem richtigen Weg!
Das Team der Kindertagesstätten SüdOst ist nur ein kleiner Teil von Berlin und doch sind wir viele. Über 1.100 pädagogische Fachkräfte und Mitarbeiter*innen betreuen und kümmern sich um über 4.200 Kinder und arbeiten partnerschaftlich zusammen mit deren Familien.
Wenn wir alle zusammen unser Ziel von selbstständigen, selbstwirksamen Kindern, die an allen Prozessen des alltäglichen Lebens auf Augenhöhe, altersgemäß beteiligt werden, nicht aus den Augen verlieren – dann sind wir auf dem richtigen Weg!
Die Idee zu dem Bericht über meine Dienstreise nach Albinea entstand schon auf dem Heimweg nach Berlin. Die Eindrücke, die ich sammeln durfte, die Begegnungen und Erfahrungen sind nur schwer zu vermitteln. Und dennoch habe ich die Hoffnung, meine Begeisterung und Inspiration mit Ihnen auf diesem Weg teilen zu können.
(BzBM Oliver Igel, BM Roberta Ibattici, PGL Sandra Stahl)
Herzlichst
Sandra Stahl